Angeklagt ist ein Aktivisti aus Koblenz der vergangenes Jahr im Rahmen einer Spontandemonstration gegen die Räumung des Flüchtlingslagers „the Jungle“ in Calais (Frankreich) eine Polizeieinheit beleidigt haben soll.
Am Montag morgen (29.05.17) sollte nach bereits zweifacher Verschiebung, die Hauptverhandlung mit leichter Verspätung um 10.30 Uhr beginnen. Neben einigen Freund*Innen ders Angeklagten war zunächst auch eine Schulklasse im Sitzungssaal anwesend. Mit „großem“ Lernerfolg: Gleich zu Beginn machte die Richter*in deutlich, dass sie auch auf erneute Nachfrage ganz generell unverteidigten Angeklagten, kein Akteneinsichtsrecht gewähre. Die Schulklasse wurde so Zeuge einer sehr zweifelhaften Rechtsauffassung des Gerichts. Doch dier Angeklagte, der gut gelaunt dutzende Gegenstände mitbrachte und gemeinsam mit einem Justizwachmenschen mitten im Sahl den Inhalt seines Wanderrucksacks auspackte – sehr zur Belustigung ALLER Anwesenden – ließ nicht locker und begann mit der Verlesung einer Rüge wegen der Verweigerung der Akteneinsicht. Die Richter*in unterbrach dies und ließ den Raum nach ca. 10 Minuten, unter Protestrufen und Applaus, mit der Ankündigung den Prozess um 14.00 Uhr fortzusetzen räumen.
In der Unterbrechung bis zur Fortsetzung kam es vor dem Amtsgericht zu einem größeren Polizeieinsatz. Die Personalien mehrerer Personen die vorher im Prozess dabei waren wurden festgestellt, Taschen durchsucht und „Beweismaterial“ beschlagnahmt. Laut Einsatzleiter seien zuvor im Gerichtsgebäude Sticker aufgeklebt worden und mit einem „Marker“ die Wände „beschmiert“ worden. Zeitgleich wurde das Justizwachtmenschen Personal vor dem betroffenen Gerichtssaal stark aufgerüstet. Außerdem wurde schon in der Pause eine zusätzliche Kontrollstelle vor dem Saal aufgebaut. Im Gegensatz zur Angeklagten Person wurden in Anwesenheit von Staatsanwaltschaft und Richter*in die beiden geladenen Polizeizeug*Innen über die Verschiebung der Verhandlung in einem Einzelgespräch im Gerichtssaal aufgeklärt. Einer der beiden Zeugis entschuldigte sich wohl mündlich für den Rest des Tages – dem Gericht war dies Recht, weder die Bearbeitung der Akte noch eine „vollständige“ Beweiswürdigung scheinen dem Gericht wichtig zu sein.
13.45 Uhr: Dieses mal mussten die Menschen die das Gerichtsgebäude betreten wollten, nicht nur am Eingang ihren Personalausweis vorzeigen, sondern es mussten auch alle nicht Polizistis, Anwelis, Richtis, Statsanwältis und Justizwachtmenschen durch eine Eingangskontrolle. Durch eine kurzfristige Mobilisierung, die cooler weise ziemlich erfolgreich war, kamen zur Fortsetzung insgesamt knapp 20 Unterstützer*Innen. Diese begann mit dier Angeklagten auch pünktlich um 14.00 Uhr. Die Personen die in den Verhandlungssahl in dem der Prozess des Aktivistis stattfand wollten, wurden ein zweites mal vor dem Saal in der extra aufgebauten Kontrollstelle komplett durchsucht, abgetastet, abgescannt, sämtliche Personalausweise kopiert und sämtliche elektronischen Geräte sichergestellt. Die Polizeizeug*Innen mussten sich erwartbarer weise dieser Schikane nicht unterziehen. Die Stimmung war dennoch gut, Konfetti fand seinen weg und die langen Einlastkontrollen störten die Hauptverhandlung, da es dauerte bis alle Unterstützer*innen nacheinander endlich im Gerichtssaal Platz genommen hatten, massiv. Nun durfte dier Angeklagte doch noch die Rüge weiter vortragen. Die gute Stimmung störten das Gericht sichtlich, da die Repression die durch das Auffahren der Maßnahmen erreicht werden sollte, die Beteiligten nicht belasteten. Das Publikum widersprach dem Gericht und die Angeklagte Person wehrt sich gegen das Verwerfen ihrer Prozessualenrechte durch das Gericht. Wieder schmetterte dier Richter*in die Akteneinsicht ab und als der Angeklagte begann daraufhin einen Befangenheitsantrag vorzutragen, den dier Richter*in versuchte zu unterbrechen, kam es zu Tumulten. Eine Person aus dem Publikum musste unter Gewaltanwendung aus dem Gerichtsgebäude gebracht werden und dier Angeklagte wurde nach Anordnung von Ordnungshaft von der Anklagebank in eine Zelle im Keller getragen. Verstärkt wurde der Tumult durch das versehentliche Auslösen eines „Notfall-Alarms“ der scheinbar sämtliche im Gerichtsgebäude vorhandenen Mitarbeiter*innen der Justiz in den Saal stürmen ließ.
Die Zeugenvernehmung wurde später in Abwesenheit ders Angeklagten und Anderer verwiesener Personen vom Gericht im Alleingang „durchgeführt“. Dier Angeklagte durfte danach noch einmal in den Saal wo er nach erneutem Vortragen des Befangenheitsantrages nach 5 Minuten wieder raus flog. Vor dem Ende beschäftigte sich dier Richter*in noch mit den Personalien aller Zuschauer*Innen und kündigte das pauschale Verhängen von Ordnungsgelder an. Alles sehr merkwürdig! Um ca. 15.00 Uhr wurde die Verhandlung schließlich ziemlich abrupt auf den 09.06.17 (9.00 Uhr) vertagt.
Der zwischenzeitliche Versuch 3 Wahlverteidigis nach §138 Abs. 2 StPO zu beantragen wurde in Abwesenheit ders Angeklagten verworfen und die Entscheidung darüber auf den nächste Verhandlungstag verschoben.
Wir hoffen, dass auch beim nächsten mal wieder zahlreiche aktive und kreative Unterstützer*Innen beim Prozess anwesend sein können und wir es wieder schaffen die Einschüchterungsversuche der Justiz abzuwehren! 🙂 … wir sehen uns vor Gericht!
Sprüche des Tages durch die Richterin:
„Hier gelten die Regeln der StPO – den Befangenheitsantrag können sie am Ende der Verhandlung stellen.“
„Alle Anwesenden (20) werden in Ordnungshaft gesteckt.“
„Es gibt keine unaufschiebbaren Anträge!“